Die Trainingswoche ist fast vorbei. Die Facebook- und Instagram Posts gehen nach den einzelnen Trainingstagen online. Meist schreibe ich „individuelles Training“ als Hashtag darunter.
Manchmal kommt mir die Frage in den Sinn, was ich mit den regelmäßigen Posts und mit dem Hashtag erreichen möchte. Die Einzel- und Gruppentrainings sind gebucht und der Kundenstamm ist gefestigt.
Meist, wenn mir ein Gedanke immer wieder kommt, nutze ich es als Anstoß einen Blogbeitrag zu schreiben. So auch diesmal.
Was bedeutet individuell im Training für mich und mein Trainerteam? Die Frage ist im Ansatz leicht zu beantworten.
Jeden Menschen und seinen Hund (nachfolgend als Team bezeichnet) dort abzuholen, wo sie stehen mit all seinen Facetten, Handicaps, Wünschen und Zielen im Einklang mit den Bedürfnissen von Mensch und Hund. In einer Gruppe sind z.B. 6 Teams. Für uns sind es 12 Individuen mit verschiedenen Charakteren, Energien und unterschiedlichen Lernständen.
Nehmen wir eine Impulskontrollübung und Frustrationskontrollübung.
Übungsaufbau:
- Ein Korb gefüllt mit Gegenständen, wie verschiedene Bälle, Zergel, Teller, Dosen etc.
- Ein Team geht zu dem Korb
- Hund macht Sitz und bleibt auch im Sitz
- Der Halter holt sich einen Gegenstand (z.B. den Ball) heraus, während der Hund nicht aufstehen darf
- Der Halter geht mit seinem Hund irgendwo auf dem Platz
- Der Hund macht Sitz,
- Halter legt den Ball auf den Boden, während der Hund sitzen bleibt
- Halter geht mit dem Hund zum Ausgangspunkt zurück
Hört sich einfach an. Kleiner Tipp: Versuchen Sie es einmal.
Bei dieser Übung geht es nicht um Schnelligkeit und auch nicht um den Ball, sondern darum, dass der Hund zu jeder Sekunde sitzen bleibt und um das Timing, den Hund im Bedarfsfall zu korrigieren.
Und hier fängt das Individuelle an.
Der eine Hund hat eine gute Impulskontrolle und bleibt bei dem Ball entspannt sitzen. Er hat eine hohe Frustrationstoleranz, da er den Ball nach wie vor nicht bekommt. Der andere Hund hat schon Probleme bei einem leeren Teller.
Der eine Mensch hat ein tolles Timing und erahnt, wenn sein Hund wieder aufstehen will, um ihn rechtzeitig zu korrigieren. Der andere muss seinen Hund immer wieder ins Sitz bringen.
Diese Unterschiede im Lernfortschritt sowohl beim Menschen als auch beim Hund zu erkennen und entsprechend darauf einzugehen, ist jetzt unser Job. Und zwar so individuell, dass keiner in der Gruppe unterfordert und auch keiner überfordert ist. Hier können wir Trainer also kein Schema F abarbeiten.
Ein anderes Beispiel ist der Aufbau von „Fuß“. In der klassischen Unterordnung besagt die „Fuß“-Position: Der Hund klebt mit seiner rechten Schulter an dem linken Bein des Menschen und schaut hoch.
Nehmen wir an, dass ein Halter aber ein körperliches Handicap hat und es auf der linken Seite nicht umsetzbar ist. Oder der Hund mag die körperliche Nähe überhaupt nicht. Daher fragen wir Trainer bei bestimmten Übungen oder Basissignalen die individuelle Feinzieldefinition eines jeden Halters ab und arbeiten entsprechend damit bzw. daran.
Die Herausforderung für unsere Arbeit sind die Alltagsspaziergänge (Social Walk). Gerade hier zeigt sich, wie individuell die Teams sind. Die Hunde reagieren unterschiedlich auf Autos, Fahrräder, Menschen, Hunde eben auf alle Reize, die einem im Alltag begegnen. Sie haben unterschiedliche Individualdistanzen. Genauso unterschiedlich sind die Halter.
Ein guter Trainer sollte einen gut gefüllten Handwerkskoffer mit vielen Möglichkeiten haben, um das Hund/Mensch Team anzuleiten und ein Trainingsziel zu erreichen.
Gerade in den Pubertätsphasen der Hunde werden die geplanten Gruppentrainings oft über den Haufen geworfen. Die Pubertiere kommen auf den Trainingsplatz und man erkennt sofort: Das wird heute nichts mit der Planung, da von 6 Hunden die Hälfte mehr mit dem Hormonchaos zu tun hat und der Halter genervt ist. Also kommt Plan B, C oder D.
Uns liegt viel daran, dass jedes einzelne Team mit einem guten Gefühl nach dem Training nach Hause geht. Nicht immer gelingt uns das. Teilweise versuchen wir alles, um den Haltern näher zu bringen, warum ihr Hund in diesen Phasen unerwünschte Verhaltensweisen zeigt und wir bemühen uns, verschiedene und auch individuelle Lösungswege aufzuzeigen.
Es kommt auch mal vor, dass wir als Trainer deutliche Worte finden müssen, damit ein Aufwachen seitens des Halters stattfindet. Wir können hier nur gemeinsam und mit der erforderlichen Unterstützung seitens der Halter an den unerwünschten Verhaltensweisen arbeiten und trainieren. Und wenn alles nicht fruchtet, trennen sich die Wege auch mal. Dann waren wir nicht die Richtigen für dieses Team. Wir Trainer sind keine Zauberer, auch wenn manch Trainer dieses von sich denken mag.
Wieder zurück zum ursprünglichen Thema.
Manchmal kommt mir donnerstags eine gute Idee für das Gruppentraining und die Idee zieht sich wie ein roter Faden bis zum letzten Gruppentraining am Samstag durch. Wobei die Grundidee an jede Gruppe, jedes Team individuell angepasst wird.
Kleines Beispiel:
Für die einen ist Zick-Zack-Laufen durch Hütchen in der Leinenführung eine Herausforderung, wie für Welpen oder die jüngsten der Junghunde. Während in der nächsten Gruppe die Herausforderung darin besteht, das Ganze im „Fuß“ zu absolvieren. Für die, die sich schon im Aufbautraining der „Fuß“- Arbeit befinden, wird je nach Hund eine Ablenkung eingebaut.
Und dann gibt es noch die Hunde, die alles super können und deren Besitzer es einfach genießen, Qualitätszeit mit ihrem Hund verbringen zu können. Was macht man mit diesen Teams? Unterm Strich ganz einfach. Sie dürfen diese Zick-Zack-Übung einfach mal nicht auf der „Fuß“-Seite absolvieren, sondern auf der anderen Seite. Einfach? Versuchen Sie es doch mal. Einen Spaziergang lang sollte ihr Hund auf der anderen Seite laufen. Also raus aus der Komfortzone.
Es gibt nicht den einen Weg um ans Ziel zu kommen. Es gibt auch nicht das eine Ziel.
Individualität zeigt sich auch daran, das Gegenüber mit seinen Stärken und Schwächen zu respektieren und Kompromisse einzugehen. Das heißt auch, den Hund in seiner Individualität wahr zu nehmen und zu fördern.