Schneller, weiter, höher
In der heutigen Gesellschaft zählt nur noch Leistung.
Firmen und Geschäftsinhaber fordern von ihren Mitarbeitern immer mehr Leistung ein. Zusätzliche Zeit wird dafür aber nicht zur Verfügung gestellt.
Die Mitarbeiter erreichen unter diesem Druck immer schneller ihre Leistungsgrenze und sind ausgebrannt.
Der Alltag einer Familie wird minutiös durchgeplant. Jede erdenkliche Minute ist verplant.
Seinen Kindern möchte man so viel wie möglich anbieten, damit sie anderen Kindern gegenüber nicht benachteiligt sind.
Auch für einen selbst ist es sehr wichtig, überall dabei zu sein, um mitreden zu können.
Betrachtet man jetzt beide Bereiche, also Arbeit und Familie, zusammen, kann man eigentlich nur zu einem Ergebnis kommen. In unserem Leben herrscht Stress pur! Die eigentliche Erholung von allem, bleibt leider aus.
Sicherlich kann man so eine Zeitlang leben. Aber ständiger Stress kann im Burnout oder gar in Depressionen enden. Das schlimme daran ist, dass man den Beginn dieser Krankheiten nicht bemerkt.
Was hat das alles mit Hundetraining zu tun?
Die Antwort ist schnell gegeben.
Beim Einzel- bzw. Gruppentraining ist mir aufgefallen, dass sich das oben beschriebene auch im Alltag/beim Training eines Hundes abspielt.
Teilweise unbewusst durch immer schneller werdende Hundesportarten wie Agility oder Hunderennen.
Die Halter möchten mit ihrem Hund beim Training die Ziele so schnell wie möglich erreichen. Trainingsschritte werden übersprungen oder es wird in längeren Sequenzen geübt.
Dabei kommt es immer wieder zu Stressanzeichen beim Hund, die vom Halter übersehen oder falsch gedeutet werden.
Z. B. macht der Hund dicht, weil er überfordert ist. Er weiß nicht was er tun soll. Die Außenreize sind zu groß.
Der Frust beim Halter steigt und er ärgert sich. Für den Halter ist der Hund nicht intelligent, der Hund will ihn ärgern, der Hund ist störrisch.
Es gibt Rassen die von Natur aus quirlig oder aufgedreht sind. Der Mensch, gelenkt von den Medien, macht mit ihm z.B. Agility in der ungesunden Form. Die Hunde rennen über einen Parcours, um Höchstleistung zu erzielen. Dies wiederum setzt bei ihnen gewisse Hormone frei, die selbstbelohnend sind.
Der Hund möchte immer mehr und so fördert man das aufgedrehte Verhalten. Man sieht, dass er daran Spaß hat und so wird das Pensum gesteigert, um seinem Hund etwas Gutes zu tun, damit er sich auspowern kann.
Und somit befindet sich der Hund in der Spirale der Leistungsgesellschaft.
Nehmen wir das Beispiel Hürden bzw. Hindernisse.
Die meisten Hunde können problemlos mit Schnelligkeit über Hürden/Hindernisse springen.
Errichtet man jetzt aber eine Hürde, bei der die Stange nur handbreit hoch ist oder mehrere Stangen wie Mikado auf dem Boden liegen mit dem Ziel, dass der Hund bewusst langsam Pfote für Pfote darüber gehen soll, ist der Hund überfordert.
Er will schnell darüber, berührt die Stangen und zeigt Stressanzeichen.
Stressanzeichen zeigen auch die Halter, da sie im ersten Moment keine Lösung finden, um ihrem Hund eine Hilfestellung zu geben.
Solche Übungen, bei denen der Halter den Instinkt und die Wahrnehmung seines Hundes schult, sind für beide Seiten anstrengend. Das trainieren der kognitiven Fähigkeiten benötigt mehr Energie als wir uns vorstellen können.
Ein positiver Nebeneffekt ist, dass der Hund wieder selbst anfängt über Strategien nachzudenken, um eine Übung ohne menschliche Vorgaben zu schaffen. Das führt im Alltag auch immer mehr dazu, dass der Hund anfängt in doofen Situationen andere Strategien zu entwickeln.
Für ängstliche und unsichere Hunde führt dies zu einem gesteigerten Selbstvertrauen.
Ich könnte hier noch über die verschiedenen Formen von Stress wie Disstress (lang anhaltender dauernder Stress) und Eustress (anregender, stimulierender Stress), über die negativen Folgen für den Organismus und der Hormone des Hundes und somit einhergehende krankhafte Folgen eingehen, was aber den Rahmen sprengen würde.
Mein Bestreben ist es, euch zum Nachdenken anzuregen.
Versucht den Alltag bei einem Spaziergang, beim Autofahren, beim Einkaufen bewusster wahrzunehmen.
Nehmt Euch wieder etwas mehr Zeit für euch und haltet die Leistungsspirale an.
Schult wieder eure Sinnesorgane auf das Wesentliche. So wie euer Hund es lernt, seine Körperteile wahrzunehmen, um dann in kleinen Schritten die Stangen zu überqueren.
Seid auch auf die kleinen Erfolge stolz und nicht nur die Großen, denn diese bestehen aus ganz vielen kleinen Erfolgen.
Grüße
Kirsten